Es wird allgemein akzeptiert, dass jeder Mensch einen immanenten Wert besitzt, der unabhängig ist von Geschlecht, Alter, Nationalität oder Religion. Diese Annahme führt auf direktem Weg zum ersten Artikel des deutschen Grundgesetzes, wo festgehalten wird, dass die Würde des Menschen unantastbar sei und mit aller staatlichen Gewalt geschützt werden müsse. Unter ethischen und rechtlichen Aspekten ergibt sich der Wert eines jeden Menschen aus dem bloßen Umstand der menschlichen Existenz, ohne dass ein Verdienst nötig ist, jene Wertschätzung erhalten zu dürfen. Aber alle Theorie ist nur eine intellektuelle Abstraktion, die oftmals mit den im Alltag vorherrschenden Umständen wenig gemein hat.
Als Beispiel seien Häftlinge im Konzentrationslager genannt, die im 2. Weltkrieg einzig wegen ihrer jüdischen Abstammungen unter menschenverachtenden Verhältnissen zusammengepfercht und millionenfach ermordet wurden. Auch wenn ihnen unter ethischen Aspekten der Wert gebührte, der jedem Menschen aufgrund der bloßen Existenz als Mensch zusteht, wurde ihnen im praktischen Leben durch die abwertende, verachtende Behandlung ein nicht rechtfertigbarer, minderer Wert zugeschrieben. Ein in diesem Zusammenhang entscheidender Faktor ist, dass das mental konstruierte Selbstbild eines jeden Menschen entscheidend beeinflusst wird durch die Reize aus der Umwelt. So haben empirische Untersuchungen im Bereich der Entwicklungs- und Verhaltenspsychologie bestätigt, dass Erwachsene, die in der Kindheit aufgrund von Versäumnissen im Elternhaus oder aufgrund anderer sozialen Zusammenhängen kein Gefühl von Wertschätzung erhalten haben, nach subjektivem Empfinden ein Gefühl von Minderwertigkeit und Wertlosigkeit für ihre eigene Person wahrnehmen, das sie Zeit ihres ganzen Lebens begleitet. Es gilt daher festzuhalten, dass jeder Mensch im praktischen Alltag und im praktischen Leben nach subjektivem Empfinden für sich selber den Wert besitzt, den er von anderen vermittelt bekommt. Grund dafür ist, dass das mental konstruierte Selbstbild maßgeblich bestimmt wird durch die Verhaltensweisen der Mitmenschen. Ist zum Beispiel ein Kind in der Schule über einen langen Zeitraum hilflos schwerstem Mobbing ausgesetzt, ohne dies ändern zu können, ist es nach subjektivem emotionalem Empfinden in Relation zu seinen Mitmenschen ein wertloseres Individuum, auch wenn dies sowohl unter ethischen wie auch unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt ist. Eine Konsequenz, die aus diesem schwerwiegenden Umstand zu ziehen ist, muss lauten, dass im praktischen Alltag jeder Mensch durch das eigene Verhalten seinen Mitmenschen einen inneren Wert verleiht.
Für das Wohl eines jeden Menschen ist körperliche und emotionale Unversehrtheit von essentieller Bedeutung. Sie zu achten und zu schützen bedeutet, Menschen wertvoll zu behandeln. Im Alltag wird das Recht auf körperliche Unversehrtheit in der Regel gewahrt. Sie einzuhalten bedarf keiner Übung, und eine Missachtung dieses Rechts kann jeder sofort erkennen. Um einem Mitmenschen emotionale Wertschätzung zukommen zu lassen, ist es wichtig, ihm Beachtung zu schenken. Jeder Mensch empfindet unmittelbar ein Gefühl des Wertes und der Wertschätzung, wenn man ihm vermittelt, dass man ihn in seinen Sorgen, in seinen Wünschen, in seiner Lage und in seiner ganzen Person wahrnimmt. Dazu bedarf es prinzipiell nicht viel. Es genügt, wenn man sich ihm während der sozialen Interaktion zuwendet und freundlich auf das eingeht, was er sagt. Wenn ein Mensch in seinen Gedanken, und als Person wahrgenommen und nicht ignoriert wird, ist die Basis der Wertschätzung bereits erfüllt. Dabei ist es nicht einmal nötig, dass man mit allem, was das Gegenüber sagt oder erzählt, übereinstimmt, und sollten zum Beispiel Vorstellungen differieren, und seien es nur solche, welche die favorisierte Fußball-Mannschaft betreffen, darf und sollte man dies auch äußern, aber auf eine verständnisvolle Art, die keine aggressive Abwertung des Gegenübers suggeriert. Respektvoller Umgang und die Beachtung der Gefühle des anderen sind maßgeblich von Bedeutung, um einem Mitmenschen die Wertschätzung seiner Person zu vermitteln.